SIE! MÜSSEN! MEHR! REISEN!

Erinnerungen von Heiko P. Wacker an Jochen Goetze

Vier Worte, eine klare Ansage, Herr Dr. Goetze brachte auf den Punkt, was ihm im Interesse profunder Geschichtswissenschaft als relevantes Rüstzeug erschien.

Es gibt Dutzende Geschichten, die einem so einfallen, erinnert man sich an Seminare oder Exkursionen mit ihm. Eine drängt sich jedoch gerade ganz besonders in den Vordergrund – jetzt, wo ich selbst eine Veranstaltung zur Geschichte Heidelbergs vorbereiten darf.

Dr. Jochen Goetze, Exkursion auf das Heidelberger Schloss im Jahr 2003

Es war Mitte der 1990er-Jahre, und Goetze schweifte mal wieder ein wenig ab in seinem Vortrage, um flux bei seiner geliebten Hanse zu landen. Bald waren nautische Fachbegriffe im Spiel – und leicht glasige Blicke seitens der Studierenden die Folge.

Auf seine Frage, ob wir denn in der Tiefe verstünden, was er so meint: Schweigen.

„Das sagt Ihnen rein gar nix, was ich so erzähle, oder! Ist denn von Ihnen niemand aus dem Norden?“ (Goetze klang schon fast ein wenig kläglich …)

Mutig meldet sich eine Kommilitonin: „Also ich, ich hab mal zwei Semester in Göttingen studiert!“

Für ihn ein Unding: „Göttingen! Regierungsbezirk Neapel“, wütet er, was einen leisen Zwischenton aus der letzten Reihe zur Folge hat: „Aber Lübeck ist ja auch schon fast Südschweden…“

Natürlich – und vollkommen zu Recht – werden wir nun mit einer Tirade überzogen, die ihm sichtlich Spaß zu machen scheint, sein Schmunzeln kann er nämlich nicht unterdrücken, während er uns nahelegt, „den Norden“ persönlich zu besuchen. „Sie müssen mehr reisen!“

Ich fasse mir schließlich ein Herz: „Ja, vielleicht sollten wir mal eine Exkursion nach Lübeck machen?“

„Eine wunderbare Idee, Herr Wacker! SIE organisieren die Zugfahrt!“ (Toll! Ich und meine große Klappe …)

Am Ende fand die Exkursion statt, eine unfassbar spannende Stadtführung mit Jochen Goetze war selbstredend inbegriffen.

Und spätestens hier durfte ich die wohl wichtigste Lektion meines gesamten Studiums lernen: Geschichte darf Spaß machen.

Und das könnte man jetzt auch in Großbuchstaben und mit Ausrufezeichen schreiben …

Ein Gedanke zu „SIE! MÜSSEN! MEHR! REISEN!

  1. Ich durfte Herrn Dr. Goetze nur ein Mal erleben – doch das war denkwürdig.
    Anno… 2010, glaube ich? Eines Dienstag Abends im HGIS Club – selbst eine Veranstaltung, die eindeutig geistiges Kind besagten Dr. Goetzes ist! – kam der Dozent auf die Idee, man könne den Studierenden doch die spannenden Seiten der historischen Geographie auch einfach mal an der eigenen Stadt näherbringen. Gesagt, getan, flugs war der ultimative Stadtführer für die nächste Sitzung organisiert (und mittendrin ich als unbedarfter Bachelor-Student).
    Die nächste Sitzung begann, 18:15 Uhr am Historischen Seminar brachen wir mit Jochen Goetze auf. Zwei Stunden später waren wir ungefähr 200 Meter weit gekommen – und zumindest ich hatte mehr über Heidelberg gelernt als in den vorhergehenden Semestern! Dr. Goetze warf einen Blick die Straße hoch aufs HistSem, warf einen verschmitzten Blick in die Runde und sagte nur „Nächste Woche, gleiche Uhrzeit wieder hier?“.
    Hätte er nicht als Frage formulieren müssen. Und unser lieber Dozent wurde schon gar nicht gefragt…
    Vier weitere Wochen später war dann das Semester zuende – und wir waren bis zur Heiliggeistkirche gekommen (vorbei an einem „Stück städtebaulicher und denkmalrechtlicher Schwerstkriminalität“, unvergessliche Fomulierung!!!)…
    Zu einer weiteren Fortsetzung kam es leider nie, aber vergessen werde ich diese Exkursion so schnell nicht! Und die Tradition von „Serientäter-Exkursionen“ lebt (wenn auch mit größerem zeitlichem Abstand) in den regelmäßigen Stadt- und Schlosswanderungen des HGIS Clubs mit Heiko Wacker weiter.

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